Ehemalige Commerzbank-Zentrale

In der Hamburger Altstadt sorgt der bevorstehende Abriss des Ensembles der ehemaligen Commerzbank-Zentrale für Kontroversen. 

  1. Überdenkt Bedarfe  

Warum bricht man ein Bürogebäude für den Neubau eines Bürogebäudes ab?   

 

2. Hinterfragt Abriss kritisch 

Es ist zu hinterfragen, inwiefern die öffentliche Abneigung gegen 60er-Jahre Bauten und die Frage der Wirtschaftlichkeit zur Abriss-Entscheidung des Hochhauses beigetragen haben.

 

Infos

Baujahr:
Altbau: 1872/72 
Erweiterung/Hochhaus: 1963/64 

Standort: 
Ecke Große Reichenstraße / Domstraße 

Nutzung: 
Aktuell Leerstand ursprünglich Büro-Nutzung 

Architekturbüro:

Weißer Altbau: Martin Haller 

Erweiterung/Hochhaus: Godber Nissen und Wilhelm Fritsche 

Neubau: Fioretti Marquez  

 

Direkt am Nikolaifleth in der Hamburger Altstadt steht das Ensemble der ehemaligen Commerzbank-Zentrale. Es umfasst den weißen Altbau und den Erweiterungsbau (Hochhaus), die durch eine Fußgängerbrücke miteinander verbunden sind. 

Im Laufe des Jahres 2023 wird das Ensemble abgerissen und durch zwei Neubauten ersetzt. Das Projekt „Nikolai Hamburg“ wird von Procom Invest mit einer Gesamtinvestition von rund 350 Millionen Euro entwickelt. Der weiße Altbau wird einem Neubau mit 100 Wohnungen weichen, von denen gemäß des Hamburger Drittelmixes 30 Wohnungen öffentlich gefördert werden. Büros, Gastronomie und Handel finden dort ebenfalls Platz. Das neugebaute Hochhaus sollBüros beinhalten. Zusätzlich zu den beiden Neubauten wird es auch eine Tiefgarage mit 140 Parkplätzen und 760 Fahrradstellplätzen geben. [1] 

Das Hochhaus ist laut dem Denkmalverein Hamburg ein „wichtiges Zeugnis der Nachkriegsarchitektur“ und ein eingetragenes Baudenkmal. Das Commerzbank-Hochhaus war der erste Bau in Hamburg mit hervortretenden Geschossdecken und Galerien und eines der wenigen Gebäude des Architekten Godber Nissen, das in Hamburg noch in seiner ursprünglichen Raumwirkung und Fassadengestaltung erhalten ist. Der benachbarte Altbau ist laut Denkmalschutzamt bereits zu stark verändert, um unter Schutz gestellt werden zu können. [2] 

Ein architektonisches Fachgutachten aus dem Jahr 2015 stellt fest, dass eine Umnutzung des Hochhauses zu Wohnungen und Büros aus bauordnungsrechtlichen, baukonstruktiven und wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist. Hauptgründe dafür sollen statische und brandschutztechnische Gründe sein. Der Hamburger Denkmalrat widerspricht dieser Ansicht und vertritt den Standpunkt, dass eine denkmalgerechte Sanierung und Umnutzung möglich sind. Der Denkmalverein Hamburg hat nach eigener Aussage mehrmals in der Presse für den Erhalt des Ensembles plädiert und spricht im Zusammenhang mit dem Abriss von einer „unwiederbringlichen Zerstörung eines stadtbildprägenden Ensembles“. [2] 

Basierend auf dem architektonischen Fachgutachten wurde im Juni 2017 eine Abrissgenehmigung erteilt. Laut dem deutschen Verband für Kunstgeschichte steht das Commerzbank-Ensemble für die dynamische Wechselwirkung zwischen den beiden sich in Kubatur, Materialität und Anmutung maßgeblich unterscheidenden Baukörpern, die bildhaft als Zeugnis für die Zäsur des Krieges mit den historistischen Fassaden des Altbaus auf der einen Seite und der im Neuen Bauen vorbereiteten, nüchternen Funktionalität des Erweiterungsbaus auf der anderen Seite. [3] 

Wer einen Blick auf die Visualisierungen des Neubaus wirft, fragt sich auf den ersten Blick, ob das weiße Gebäude wirklich ein Neubau ist oder ob nicht doch der Bestand erhalten bleibt. Teile der hallerschen Fassade wurden im Entwurf für den Neubau zwar berücksichtigt – erhalten bleibt vom Altbau jedoch nichts.  

Ich möchte hier an Investor und Stadt appellieren, sich der Bedeutung des Ortes bewusst zu sein. Immerhin liegt zwischen Trostbrücke und Domstraße eine der Keimzellen Hamburgs. Liebe Experten – trefft eure Entscheidung doch einmal nicht nur als Fachleute, sondern vielleicht auch mal als Hamburger.[4]